Hurtigruten-Flotte - "Seh"-Reise zum Nordkap
Der Postdampfer auf seiner zwölftägigen Reise die norwegische Fjordküste Norwegens
ein Reisebericht von Peter Obertaler
BERGEN, Am Heck weht die Flagge der königlich-norwegischen Reichspost. Die 13 Schiffe der Hurtigruten-Reederei, die in diesem Jahr ihren 115 Geburtstag feiert, sind zwar mittlerweile zumeist moderne Großeinheiten. Sie bieten ihren bis zu 656 Übernachtungs-Gästen jedweden Komfort einer Kreuzfahrt, aber sie befördern noch immer als Postdampfer auf ihrer zwölftägigen Reise die norwegische Fjordküste Norwegens Küste hinauf und hinunter zunächst einmal normale Küstenbewohner, die von A wie Alesund nach B wie Bergen wollen, also zum Zahnarzt, zu einer Behörde oder zum Einkaufen wollen und natürlich Güter vom auf Eis gelagerten Fisch über die Badewanne bis zur Kiste Tomaten für den auf dem Landweg nur schwer zugänglichen Norden. Bereits das erste Hurtigruten Schiff, das am 2. Juli 1893 von Trondheim in Richtung Hammerfest in See stach, war Postdampfer, Frachter und Passagierschiff zugleich Das aber hat für die wachsende Zahl von Touristen, die inzwischen den Hauptteil der Hurtigruten-Passagiere stellen, den großen Vorteil, dass sie sehr viel dichter herankommen an Land und Leute und an den Alltag der Seefahrt sehr viel unmittelbarer erleben als auf einem der modernen Megaliner. Der läuft aus seiner Nordlandreise maximal fünf Häfen an, entsprechend bescheiden ist auch sein Ausflugsprogramm. Der Hurtigruten-Reisende dagegen hat – nach Hin- und Rückreise geordnet, wobei er die Nachtetappen und -stopps der Hinfahrt auf der Rückfahrt bei Tage erlebt.– die Auswahl unter bis zu 40 sorgfältig organisierten Landexkursionen, darunter eine Bootsfahrt zum Svartisen -Gletscher, eine Snowmobilsafari und natürlich den Busausflug zum Nordkap.Doch Urlaubserinnerungen an Seereisen sind zuerst einmal Erinnerungen an Häfen. Und bei 34 Postschiff-Stationen, an denen die Postdampfer zwischen der Hansestadt Bergen und Kirkenes halt macht, und sei es auch nur zum Ein- und Ausladen, wird der Hurtigruten-Tourist rasch zum Hafen- und Logistikexperten. Er sieht, ob die Ladeklappe sauber ein- und ausgefahren wird. Er steuert im Geist den Gabelstapler mit, weiß alles über auch noch das absurdeste Stückgut, stellt seine Betrachtungen über ein- und aussteigende Passagiere an (der mit der dicken backe, der zum Zahnarzt muss) – und hat augenscheinlich auch noch seinen Spaß an der Sache. Gerade in kleineren und abgelegenen Häfen wird die Ankunft des Hurtigruten Schiffes noch immer als Höhepunkt des Tages zelebriert.
Für den Landgang bleibt bei oft nur eine halbe oder dreiviertel Stunde. Aber das reicht, um sich auf der Dorfstraße mal kurz die Füße zu vertreten, in Varde ein paar Souvenirs zu kaufen, in Stokmarknes das Hurtigruten-Museum zu besuchen, in der munteren Studentenstadt Tromso ein Bier zu trinken oder sich in Hammerfest beim "Königlichen Polarbären- Club" als Mitglied einzuschreiben. An Bord der Schiffe, und zwar der gemütlichen alten wie der luxuriösen neuen, herrscht eine unkomplizierte Atmosphäre. Hinzu komm die herzliche norwegische Gastfreundschaft, die das Reisen mit den Hurtigruten so angenehm macht.
Es gibt viel Platz und bequeme Sessel in Lounges, Cafeterias und Bars, große Panoramafenster, und öfter als man denkt, steht man draußen an der Reling oder sitzt im Liegestuhl auf dem Sonneendeck (sogar in der Sonne), um sich von der grandiosen Szenerie der stillen Fjorde, der schroffen Felsen, der tosenden Wasserfälle, der Schnee bedeckten Bergriesen, der einsamen Inseln, der lieblichen Schären und des endlosen Nordmeeres und die Mitternachtssonne begeistern zu lassen. Im Sommer verschmelzen Tag und Nacht miteinander und die Mitternachtssonne verzaubert Himmel und Urlauber gleichermaßen. Nicht enden wollende Tage bescheren unvergessliche Augenblicke bei nächtlichen Deckspaziergängen an Bord im taghellen Licht. Jeder Reisetag bietet unvergleichliche Eindrücke. Vier sollte man hervorheben.
Das unvermeidliche Nordkap (6. und 8. Tag). Ein 300 Meter aus dem Meer herausragendes Felsplateau, darauf eine modernes Schutzgebäude mit Restaurants, Postamt und Aussichtsterrassen sowie eine eher schmucklose eiserne Weltkugel – und dahinter nichts mehr, 2000 Kilometer weit bis zum Nordpol. Das ist es, eines der bekanntesten und beliebtesten Touristenziele der Welt. Völlig zu Recht.
Die malerischen Lofoten (9. Tag) – Die Insel, zumal das bei einem Lofotenausflug angesteuerte Fischerdorf Henningsvaer mit seinen auf Stelzen stehenden Holzhäusern, gehören unumstritten zu den idyllischsten Plätzen der Welt. Allein schon des nordischen Lichtes wegen.
Fisch ist das Stichwort für den Sprung zurück an Bord und ans Büfett. So viel Fisch in so vielen Variationen bietet kein Kreuzfahrten-Büfett der Welt. Die zwölf Reisetage reichen nicht aus, das alles durchzuprobieren. Das Essen an Bord hat Kreuzfahrt-Niveau - und ist wie bei einer Kreuzfahrt im Reisepreis enthalten. Nur für die Getränke muss man extra zahlen.
Der märchenhafte Trollfjord (9. Tag) – Nicht nur für besinnliche Naturen ist die fast einstündige Langsamfahrt durch den zwei Kilometer langen und manchmal nur knapp 100 Meter engen Trollfjord der eigentliche Höhepunkt der Reise. Zwar gibt es keinen Hafen, kein Ziel, nichts aus- oder einzuladen. Aber was für ein unvergleichliches Naturerlebnis. Am Ende des Trollfjordes dreht sich das Schiff fast schon artistisch um die eigene Achse und fährt auf gleicher Strecke in gleichem Tempo zurück. Wunderbar.
Das trübselige Trontheim (3. und 11. Tag) – Der Deutsche reist selbst in die "unberührte Natur" nicht ohne Kulturanspruch. Und den erfüllt die 1000-jährige Königsstadt Trontheim mit dem Nidaros -Dom, dem größten gotischen Sakralbau Norwegens, großartig. Vor allem aber ist die Stadt – zumal nach so viel Natur, Stille und Erhabenheit – einfach hübsch, bunt und lebendig.
Kurzum: Die Hurtigruten-Reise zum Nordkap bietet das unmittelbare Norwegen-Erlebnis, das die Nordlandfahrer suchen und hier auf höchst komfortable, aber nicht weniger authentische Weise bekommen.