Die Hurtigrute: Menschenleere Landschaften
Interview mit dem Kapitän Arne Harmsen
ein Reisebericht von Britta Schmidt
Die norwegische Natur ist ein großer Schatz: majestätische Fjorde, malerische Schären und tausende Inseln - Städte, die der Inbegriff des Nordens sind. Regionen, mal lieblich und mitteleuropäisch, mal polar und eisig. Hier erzählt der Kapitän Arne Harmsen vom Erlebnis Hurtigrute. Der Norweger steuert seit über zwei Jahrzehnten die Postschiffe der traditionsreichen Reederei. Kaum jemand kennt diese einzigartige Region so gut wie der sympathische Nautiker.Herr Harmsen, das Angebot an Norwegen-Kreuzfahrten ist recht groß. Was ist anders bei Hurtigruten?
Eigentlich ist die Hurtigrute nichts weiter als eine Postschifflinie, die den Süden Norwegens mit dem hohen Norden und dem äußersten Osten des Landes verbindet. Und das auch bei Schnee und Eis. Tagein, tagaus, 365 Tage im Jahr. Wir sind ein Liniendienst im Auftrag des Norwegischen Staates. Entlang der 2500 Seemeilen langen Lebensader Norwegens fahren wir mit unseren zwölf Postschiffen 34 Häfen an – und zwar genau nach Fahrplan. Die Passagiere können jederzeit ein- und aussteigen, heute wie vor 115 Jahren, als die Reederei gegründet wurde. Und das ist es wohl auch, was den Mythos dieser Schifffahrtslinie aus macht. Sie sehen, mit einer typischen Kreuzfahrt hat das wenig zu tun – dies zu vermitteln, liegt mir sehr am Herzen.
Was erlebt man bei Ihnen an Bord?
Sie beobachten, wie in verträumten Hafenstädten Fracht an Bord genommen oder privates Umzugsgut mit Kränen aufgeladen wird. Herrscharen hungriger Schulkinder auf das Schiff strömen, die nach dem Unterricht nach Hause eilen. Oft zählt das Einlaufen eines Hurtigruten-Schiffes zu den Höhepunkten des Tages. Autos, Passagiere und Neugierige warten auf das Anlegen, um endlich an Bord gehen zu können, oder sie begrüßen ganz einfach nur die Passagiere. Bei uns wird jeder Passagier Teil des norwegischen Alltags.
Und die Atmosphäre für die Rundreisepassagiere?
Die Stimmung an Bord ist natürlich und ungezwungen, also weit entfernt von hochglanzpoliertem Kreuzfahrt-Glamour. Das Motto lautet: Große Entspannung statt großer Roben! (lacht) Nach einem gemütlichen Frühstück mit Rührei und Shrimps oder Räucherlachs mit Sahnemeerrettich sitzen unsere Passagiere entspannt in der Panorama-Lounge und lassen bei einem heißen Tee die grandiose Landschaft an sich vorüberziehen. Dadurch dass die Hurtigrute kein künstliches touristisches Produkt ist, sondern historisch gewachsen, geht es eben locker und authentisch zu.
Welche Region gefällt Ihnen besonders?
Ich liebe den äußersten Norden. Die Küste zwischen Kirkenes und Tromsö ist einmalig schön. Die Fahrt in die weitgeschwungene Bucht von Hammerfest gehört für mich zu den beeindrucktesten Erlebnissen. Nachdem man den Rolvsösund verlassen hat, rücken im Süden die beiden idyllischen Inseln Söröya und Kvalöya mit ihren schneebedeckten Berggipfeln näher. Wenn diese Landschaft dann auch noch vom Polarlicht beschienen wird, sind das unvergessliche Bilder. Kvalöyas Nordspitze wird auf der Backbordseite umfahren und kurze Zeit später nimmt die Hurtigrute Kurs auf den Hafen der nördlichsten Stadt der Welt. Hammerfest liegt auf demselben Breitangrad wie die äußersten Gebiete Sibiriens oder der nördlichste Punkt Alaskas.